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Cargo Cults Unlimited (17.12.2023 – 31.12.2024)

Mit Cargo Cults Unlimited stellt sich das MEN dem brennenden Thema der globalisierten Wirtschaft. Dieser höchst materialistisch gesinnte menschliche Tätigkeitsbereich droht nicht nur, die Ressourcen der Erde zu erschöpfen, sondern ist auch von abgehobenen Abstraktionen, prophetischen Erklärungen, Mimikry und bürokratischen Protokollen geprägt. Die Ausstellung lädt Sie dazu ein, dieses komplexe Geflecht anhand einer Vorstellungwelt zu erkunden, die vom « Cargokult » inspiriert wurde.

Der Begriff bezeichnet eine Reihe von millenaristischen Ritualen, die in Melanesien im Zuge der Kolonialisierung im 19. Jahrhundert aufgetaucht sind. Von charismatischen Anführern geleitet imitierten ihre Anhänger bestimmte westliche Verhaltensweisen: Mit Arrangements von Schnittblumen, Militärparaden, dem Bau von Häfen und Landepisten aus Bambus versuchten sie, die Reichtümer anzuziehen, die in Übersee produziert und per Schiff oder Flugzeug importiert werden. Anthropologen zufolge zeugt die Verbreitung des Begriffs vor allem von ethnozentrischem Paternalismus gegenüber Praktiken, die als naiv oder unvernünftig betrachtet wurden.

Das Gestaltungsteam des Museums hat genau diese Perspektive umgekehrt und sich die Frage gestellt, ob die magischen Vorstellungen, die damals den fernen Wilden zugeschrieben wurden, nicht viel sinnbildlicher sind für unser gegenwärtiges Verhältnis zur globalisierten Wirtschaft. Spiegeln sich Facetten des Cargokults nicht gerade auch in der Fetischisierung von Marken und äusserlichen Zeichen von Reichtum wider? Im mehr oder weniger bewusst gewählten Unwissen über die Produktionsorte und Bedingungen, unter welchen Kleider, Nahrung und Elektrogeräte hergestellt werden? In den Mimikry-Strategien, die auf den Finanzmärkten zu beobachten sind? Im Glauben an eine Expertenkaste, die im Namen übernatürlicher Kräfte genannt Wachstum oder Markt predigen?

Um dieser Hypothese auf den Grund zu gehen, begeben sich die Ausstellungsgäste auf einen Besuch eines Hafens aus Karton-Containern und -Büros, ganz im Stile des Cargokults. Die Ausstellung basiert auf den Sammlungen des MEN und den Forschungsarbeiten des ethnologischen Instituts und hinterfragt die Organisationsgrundsätze eines Systems auf zwei Ebenen: Im Erdgeschoss geht es um die Grundsätze der sogenannten Realwirtschaft, die sich auf Produktion und Inverkehrbringung von materiellen Gütern stützt. Im ersten Stock um diejenigen der Modelle, Normen und Diskurse, die den Warenstrom lenken. So gliedert sich der Besuch in eine Grundlagenlektion der Anthropologie: Die Wirtschaft existiert nicht an sich, sondern nur in einer engen Verkettung von kulturellen Vorstellungen und soziotechnischen Systemen.